Kehrwoche! Bitte jeder vor der eigenen Türe

Kehrwoche! Bitte jeder vor der eigenen Türe

Foto: phil_fry.

Das Nachtcafé ist eine etwas betuliche Talkshow des SWR Fernsehens, die ich mir trotz Wieland Backes recht gern ansehe, weil ich das Format irgendwie mag. Es gibt immer ein bestimmtes Thema, zu dem verschiedene mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten etwas zu erzählen haben. Die Positionen werden selten bis nie gegeneinander ausgespielt, die Gäste nicht aufeinander gehetzt, auf polemische Einspieler zum Einheizen wird verzichtet.

Die heutige Sendung trug den Titel „Ehrlich währt am längsten?“ und wurde vom Sender wie folgt geteasert:

Ehrlichkeit, Geradlinigkeit, Aufrichtigkeit – all diese Tugenden sind scheinbar zu Auslaufmodellen verkommen. Ob es Schmiergeldzahlungen, windige Bankgeschäfte, lumpige Handwerkerleistungen oder gerissene Abzock-Geschäftsmodelle sind – wenn es um den eigenen Profit geht, sind Moral und Anstand oft schnell vergessen. Selbst in den angeblich ach so besten Kreisen zählen Betrügereien häufig zum guten Ton und werden – zumindest hinter vorgehaltener Hand – als richtig clever und ausgefuchst verherrlicht und gefeiert…

Einer der Gäste war Gustl Mollath – für mich der Grund einzuschalten – allerdings nicht der Grund dieses Blog-Beitrags, weshalb ich mich darauf beschränke, die Chronologie der Unfassbarkeiten gegen seine Person noch einmal zu verlinken.

Den Grund lieferte die mir bis heute gänzlich unbekannte, gutgläubige und im Zuge dessen sträflich betrogene Künstlerin Karin LaKar, erfolgreich verheiratet mit dem Haus-und-Hof-Sportmediziner des FC-Bayern. Durch die Lehmann-Pleite 2008 verlor die vermögende Dame ihr Vertrauen in die Machenschaften der staatlicher Kreditinstitute und gab ihr Geld lieber geschwind einem als Finanzberater tätigen Drucker, der es in der Schweiz zu investieren versprach und mit Renditen zwischen 17% und 50% lockte. Dass ihr Gatte zeitgleich durchschnittlich 1,5 Million pro Jahr in seiner ebenfalls 2008 gegründeten Klinik versenkte, steht gewiss in keinem Zusammenhang zu ihrer plötzlichen Angst um ihr persönliches Vermögen und dem Bedürfnis es selbstverwaltet in Sicherheit zu bringen. Zwei Jahre später war die halbe Million jedenfalls futsch. Die erboste Dame kämpfte nun tapfer und auf eigene Kosten um Gerechtigkeit, klagte, gewann und brachte dem Übeltäter 2,5 Jahre Gefängnis en. Eine gerechte Strafe zwar, doch nur ein schwacher Trotz, weil sie ihr Geld noch immer nicht zurückbekommen habe. Völlig ungerechtfertigt und unangemessen fand sie hingehen die Haftstrafe für den Freund des Hauses Uli H. Steuerhinterziehung sei schließlich kein Betrug (zumindest nicht an ihr persönlich). Man müsse das alles differenzierter betrachten und auch den Suchtcharakter der Geldvermehrung berücksichtigen. Uli H. sei jedenfalls keine Gefahr für die Allgemeinheit und gehöre darum auch nicht ins Gefängnis.

Ähnlich sah das auch der Trierer Geschäftsmann Lutz S., der seinerseits den Staat verklagte, weil dieser eine Steuer-CD mit geklauten Daten angekauft hatte, zu denen auch er einen bescheidenen Datensatz beigesteuert hatte. Nein, seine Frau habe von dem Schwarzgeld nichts gewusst, natürlich nicht! So hätte er ihr in schlechten Zeiten sagen können: „Sieh mal Schatz, mach Dir keine Sorgen, ich hab uns da was zurückgelegt.“ So ein fürsorglicher Mann! Ich frage mich natürlich, ob ihm das Geld auch eingefallen wäre, wenn sich ihre Zugewinngemeinschaft in diesen schlechten Zeiten aufgelöst hätte und es zur Gütertrennung gekommen wäre. Aber das frage ich mich wohl nur, weil ich so ein misstrauisches Weibsbild bin. Jedenfalls sieht Lutz S. nicht sich als Betrüger, sondern den Staat – zum einen, weil der sich als Hehler betätigt hat, zum anderen weil er mit dem Berliner Flughafen nicht in die Pötte kommt und dort Steuermilliarden verschwendet.

Ein erfrischend schlagfertiger Lichtblick in der Runde war der Ex-Boxer Mike W., auch bekannt als „Milliarden-Mike“, der sein Betrugsmodell als ein Abzocken der Abzocker präsentierte und nie angezeigt wurde, weil er Leute schließlich nur um ihr Schwarzgeld brachte. Er wiederholte ein paar Mal, dass er niemals mittellose, alte oder hilfsbedürftige Leute betrogen hätte, sondern eben nur solche, die es sich leisten konnten und selbst genug Dreck am Stecken hatten, um die Klappe zu halten. Naja, und irgendwie war der Typ sympathisch, lustig, selbstironisch. Und spätestens nachdem er Karin L./M.-W. glaubhaft versichert hatte, dass er SIE niemals über den Tisch gezogen hätte, weil sie viel zu hübsch dafür sei … taugte er nicht mehr recht zum Sündenbock.

Hoffnung brachte da Miroslaw S., ein couragierter LKW-Fahrer, der beobachtete, dass seine „nicht für den menschlichen Verzehr geeignete“ Ladung Fleischabfälle unter der Hand zum Lebensmittel deklariert wurde. Er wurde wütend, verständigte die Behörden und brachte einen als „Gammelfleisch-Skandal“ bekannt gewordenen Lebensmittelbetrug ans Licht. Als der sehr klug aber leider etwas auf verlorenem Posten argumentierende Sozialethiker Martin B. diese Geschichte daraufhin zum Anlass nahm, anzumerken, dass hier vielleicht auch die Verantwortung der Verbraucher gefragt sei, widersprach Miroslaw S.: „Es braucht einfach mehr Kontrollen!“

Karin L./M.-W., der das Ansprechen Ihrer Eigenverantwortung als Anlegerin bereits sichtlich die Laune verhagelt hatte, fiel vor begeisterter Zustimmung fast von ihrem Stuhl: Ja eben! Warum wird denn nicht einfach mehr kontrolliert?!!!

Und dann erklärte ein LKW-Fahrer am Freitagabend kurz vor 12 im öffentlich-rechtlichen Regionalfernsehen, warum eben auch Steuer-Kriminelle eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen:

„Dafür fehlen wohl die Steuergelder.“