Alle Jahre wieder...

Alle Jahre wieder…

 

… aber dieses Jahr zum ersten Mal für mich ohne Dich. 

Du wirst erleichtert sein, den Firlefanz nun endlich hinter Dir zu haben. Für uns 3 war Weihnachten wie eine profane Version der Quadratur des Kreises – ein bewiesener Maßen unlösbares Problem, das πpieinfach aussieht, bei dem man aber nur verlieren kann. Nicht ganz so schlimm wie „Pubertät“ oder „runder Geburtstag“, aber ziemlich nah dran. 

Seit Du tot bist, denke ich friedlicher an Dich. Ich erinnere mich an Deine Scherze und Floskeln, Geschichten und Kindheitserinnerungen. Es gibt eine Weihnachtsgeschichte von Dir, die mich begleitet. Heute möchte ich sie erzählen.

Nach der Flucht 1944 war Oma mit Dir bei entfernten Verwandten „untergekommen“. Dort wurdet ihr „geduldet“, doch es „fehlte an allem“. Heiligabend solltest Du „gestoppelte“ Kartoffeln kochen. Für Kartoffelsalat ohne Würstchen. Beim „Bolzen“ hast Du die Zeit vergessen. Als Deine Mutter abends aus dem Laden kam, in dem sie aushalf, war das Wasser verkocht und die Kartoffeln verkohlt. Sie setzte sich zu Dir und schlief erschöpft ein. Es war eine schöne Erinnerung für Dich. Du mochtest diesen heiligen Abend, den Oma an Deiner Seite verschlief. Als Kind habe ich nicht darüber nachgedacht, warum. Es fühlte sich selbstverständlich an.

Diese Vorstellung hat mein Ideal vom „Fest der Liebe“ mehr geprägt alle Weihnachtsgeschichten, -feste und -filme zusammen. Meiner aus Widersprüchen gesponnenen Familienlegende nach bist Du zu diesem grummelnden Stimmungsverweigerer geworden, um Deiner Mutter Jahr für Jahr zu zeigen, dass sie damals gut und richtig war, so wie sie war – in einer Zeit, in der nichts so war, wie es hätte sein sollen.

Von Dir habe ich gelernt, dass man Scheiße nicht schönreden und mit Lametta behängen darf, wenn man die, die man heimlich und mit grimmiger Miene liebt, glücklich machen möchte. Erst recht nicht am heiligen Abend.