Alte Reste
Alten Resten eine Chance. Sagt Sven Regener und macht Musik daraus. Und die Musik macht, dass sich das Leben manchmal ok anfühlt. Für den, der sie hört. Wie sich das für den, der sie schreibt, darstellt? Keine Ahnung.
Kürzlich hat sich das Gesicht einer alten Liebe ins Netz begeben. Dem Spinnentier in mir konnte das nicht lange verborgen bleiben; und so sah man sich wieder. Zwölf Jahre danach. Zwölf Jahre, in denen er sich der digitalen Kommunikation verweigerte und ich mich darin fand. Oder verlor.
Und wie immer, wenn mir bewusst wird, dass mich das, was ich sage und schreibe, sichtbar gemacht hat, breitet sich altbekanntes Unbehagen aus. Ein Unbehagen, dass so viel älter ist als das Internet.
Es beginnt in den Siebzigern. Mit Garni, einem Jungen, der ein paar Jahre älter war als ich, und den Holzkindern. Garni war meist unfreundlich, stumpf und aggressiv. Von mir sagten die Erwachsenen, dass ich sehr aufgeweckt sei und eine blühende Phantasie hätte. Kein Wunder also, dass ich Garni nicht besonders mochte. Die Verbindung zwischen ihm und meiner Phantasie verstand ich erst sehr viel später. Und dieses Verstehen war so plötzlich und verstörend, dass sich die Situation mit allen Worten, Farben, Geräuschen, Gerüchen in meine Erinnerung gebrannt hat. Meine Mutter sagte, dass ich „Geschichten von meinem ausgedachten Freund erzähle“. Grad wollte ich noch vehement widersprechen, dass er ganz und gar nicht mein Freund … als sich das Wörtchen „ausgedacht“ in mein Bewusstsein zwängte und dort ein Feuerwerk der Scham explodieren ließ. Ich erzählte nie wieder von Garni – und es dauerte nicht lang, bis seine Welt aus meinem Kopf verschwunden war.
Das Gefühl jedoch begegnet mir noch oft.
Darum will ich versuchen, seine Geschichte zu erzählen …