Hinter’m Leisten geht’s weiter
Manche Sprichwörter begleiten mich seit ich denken kann und verändern im Laufe der Zeit ihre Bedeutung.
„Schuster bleib bei Deinen Leisten“ ist eins davon. Eines, auf das ich nie gut zu sprechen war. Lange war es für mich lediglich ein ignoranter Ausdruck intellektueller Überheblichkeit.
So rieten mir Freunde, die sich in ihrer eigenen Berufsfindung über Klugheit, Kunst und Hochkultur definierten, zu einer handwerklich-kreativen Ausbildung. Eine wissenschaftliche Laufbahn sei nichts für mich, hörte ich. „Praktisch veranlagt“ sei ich, „hochintelligent“ oder „hochbegabt“ waren sie. Vielleicht war das wirklich als Kompliment gemeint – damals empfand ich es als Abwertung.
Das machte mich trotzig. Also studierte ich wirklich viele Semster wirklich viele Fächerkombinationen mit wirklich viel Einsatz – nur um mir selbst und aller Welt zu beweisen, dass ich so dumm doch gar nicht sein könne. Das Ergebnis war ein steter Wechsel zwischen Glanzleistungen und Totalversagen. Ich war und blieb völlig ziel- und orientierungslos im Universitätsbetrieb.
Mit 30 schmiss ich dann alles hin, ging in die Lehre und wurde Stift. Außen Scheitern, innen pure Erleichterung. Statt meinen Kopf als Rammbock zum Durchbrechen der sprichwörtlichen Wände zweckzuentfremden, ließ ich ihn endlich tun, was ihm Freude bereitete: sinnvolle Arbeit ohne Schaumschlägerei mit einem Ergebnis, in dem es sich bequem laufen lässt.
Dabei kam mir der Gedanke, dass das Handwerk tatsächlich mehr für mich sein könnte als ein „Zum-Akademiker-hat’s-eben-nicht-gereicht-Notnagel“: Eine Arbeit, zu der ich mich nicht zwingen muss, weil sie mir einfach Spaß macht. Ein Beruf, der zu mir passt, weil er mich nicht permanent an den Rand der Verzweiflung treibt.
11 Jahre später hat sich daran nichts geändert: Wertschöpfung ist wohl einfach mein Ding.
Foto: Schuhmacher Bruneck von Simon Bierwald