Technik ist jetzt rosa
Foto: diepuppenstubensammlerin
Endspurt Vorweihnachtszeit, Tante 1falt hat Geschenke besorgt – selbstverständlich streng nach Wunschzettel. Der Neffe bekommt Fußballschuhe ohne Stollen, die Nichte eine Monster-High (blaue Barbie mit Wasserkopf und Oberschenkellücke). Eine gute Gelegenheit also über „geschlechtssensible Pädagogik“ nachzudenken! Wie dem einen oder der anderen möglicherweise bereits aufgefallen ist, halte ich Geschlechterrollen weitgehend für gesellschaftlich konstruiert. Damit behaupte ich nicht, dass sie sich von heute auf morgen abschaffen ließen (schließlich verstehe ich auch Gott als soziales Konstrukt, ohne dass sich Kirche, Papst und Krippenspiele dadurch in Luft auflösen würden). Allerdings gehe ich davon aus, dass sie veränderbar sind und sich den äußeren Umständen anpassen können. Das lässt sich von Genen natürlich auch sagen, allerdings sind die weniger zugänglich für Argumente und gutes Zureden.
Um auf die Weihnachtsgeschenke zurückzukommen: Ich glaube nicht, dass Chromosomensätze für Wunschzettel verantwortlich gemacht werden können, sondern dass da in erster Linie soziale Faktoren (Familie, Werbung, Schule, Freunde …) am Werke sind. Jungs wollen (meiner Meinung nach) nicht „von Natur aus“ Verbrennungsmotoren zusammenschrauben und Mädchen nicht aus „mütterlichem Instinkt“ Puppenwagen durch die Vorstadt schieben. Alles alte Hüte, gewiss, aber ein bisschen ausholen muss ich schon, um nicht ganz, sondern nur ein bisschen missverständlich zu schreiben.
In den letzten Wochen habe ich mich ein wenig durch „Männerrechteblogs“ gelesen und verunsichern lassen. Gerne gebe ich zu, dass ich lange keinen Anlass gesehen habe „über Männer in ihrer Gesamtheit“ nachzudenken. So gesehen ist dieses Thema für mich Neuland und ich bitte um Verständnis, falls ich verbal in irgendwelche Fettnäpfe treten sollte. Das ist nicht meine Absicht und ich lasse mich gern belehren! Jedenfalls war ich überrascht über die große Aggressivität gegenüber Feministinnen, die weit über das hinausging, was ich aus meinem Offline-Umfeld kenne. Sicherlich steht auch dort der Feminismus nicht sehr hoch im Kurs, wird aber nicht als Bedrohung erlebt und eher belächelt oder als „ewiggestrig“ tituliert.
Das von Maskulisten im Netz gezeichnete Bild des Feminismus scheint mir sehr viel machtvoller zu sein. Ich möchte fast meinen, es hielte die Meinungshoheit inne und wäre in der Lage Gegenstimmen bereits im Keim zu ersticken. Es liest sich also ein bisschen nach Meinungsdiktatur. Das hat mich sehr überrascht und irritiert. Es passt nämlich so gar nicht zu meiner Wahrnehmung. In meinen Augen hat „der Feminismus“ seine besten Jahre hierzulande bereits hinter sich und zeigt deutliche Anzeichen von Altersmilde. Er setzt sich dafür ein, dass Mädchen in wirtschaftlich benachteiligten Ländern zur Schule gehen können, nicht vergewaltigt und nicht beschnitten werden. Er klärt über Aidsprävention und Geburtenkontrolle auf … und ja zugegeben … diskutiert aktuell mal wieder hitzig über Prostitutionsgesetze in Deutschland. Das war’s aber auch schon.
Mein persönliches Bild „des Feminismus“ kann also nicht erklären, wie ein derart hassenswertes Feindbild entstehen konnte, das als nahezu übermächtig erlebt zu werden scheint. Auch wenn ich annehme, dass der Feminismus in diesen Zusammenhängen als klassischer Sündenbock fungiert, bleibt zu fragen, was Männer derart in Bedrängnis bringt. Denn ich gehe nicht davon aus, dass es sich um eine Ansammlung von Einzelschicksalen handelt, die zufällig negative Erfahrungen mit besonders dominanten Feministinnen gemacht haben. Aus diesem Grund suche ich nach gesellschaftlichen Entwicklungen, die Männer mehr in Bedrängnis bringen als Frauen, Entwicklungen, die sich vor 15 Jahren noch nicht so abzeichneten.
Und damit lande ich wieder bei den schwarzgrünblauen bzw. rosarotglitzernden Weihnachtsgeschenken und meiner häufig gestellten Frage an die Eltern, woher das kommt und wieso sie das unterstützen. Eine Frage, auf die ich noch nie die Antwort „persönliche Überzeugung!“ erhalten habe. Die Argumente gegen eine geschlechtsunspezifische Erziehung waren stattdessen „Das Kind will das so“ oder „Wir wollen das Kind nicht zum Außenseiter machen“. Und da lande ich (wie so oft in den letzten Jahren) bei der Feststellung, dass der Anpassungsdruck größer, die Konkurrenz erbitterter, der Zusammenhalt schwächer und das soziale Klima insgesamt kälter geworden ist. Auch und gerade an den Schulen. Allerdings hatte ich das bislang nicht als „genderspezifisches“, sondern als soziales Problem gesehen, dass sich Jungs wie Mädchen, Müttern wie Vätern stellt und (zumindest teilweise) dazu führt, alte Rollenbilder wieder aus der Mottenkiste zu holen, um die eigenen Kinder konkurrenz- und marktfähig zu machen.
Nun aber fällt mir auf, dass das ein Irrtum ist. Denn sowohl die weichen als auch die harten Kompetenzen, die unsere hochtechnisierte Arbeitswelt von jungen Menschen einfordert, werden überwiegend durch Erziehungsmethoden gefördert, die als „typisch weiblich“ gelten. Und da klingelt bei mir, dass ich so etwas in den letzten Tagen öfter gelesen habe: „Jungs werden nicht gefördert“. Während die Quotendiskussion unser Augenmerk auf die paritätische Verteilung von Vorstandsposten richtet, verschwinden am anderen sozialen Ende der prekären Beschäftigungen fast alle typischen Männerberufe. Sie werden nicht besser bezahlt – sie verschwinden einfach, weil die Aufgaben von Maschinen und Automaten übernommen werden. Während Mädchen weiterhin darauf vorbereitet werden im boomenden Pflegesektor unterzukommen oder Hausfrauundmutter zu werden, bedeutet Schulversagen bei „typischen“ Jungen das soziale Aus. Natürlich können auch Männer Altenpfleger oder Hausmannundvater werden! Aber eine geschlechtstypische Erziehung bereitet sie miserabelst auf einen solchen Lebenslauf vor!
Wenn ich also vermute, dass den „typisch weiblichen“ Kompetenzen die Zukunft gehört, ist das nicht der Verdienst und nicht die Schuld des Feminismus. Es ist allein der technische Fortschritt. Ein paar Jahrzehnte verbesserte er die Aussichten für typische männliche (technische) Berufe, mittlerweile können sich die Automaten selbst regulieren und brauchen kaum noch Techniker, Programmierer und Ingenieure. Statt dessen braucht es Kommunikation, Flexibilität, Vernetzung, soziale und emotionale Kompetenz, um Rechner und Menschen besser miteinander zu verknüpfen. Und es braucht weiterhin Dienstleistungen, die nicht durch Maschinen übernommen werden können. Eltern, Pfleger, Therapeuten, Pädagogen, Kulturschaffende … Nirgendwo braucht es das, was Jungs (aus Unsicherheit) wieder beigebracht wird: Ellenbogen einsetzen, dominieren, zähnezusammenbeißen. Diesen Jungen ist nicht geholfen, wenn ihre Väter gegen Feministinnen hetzen und auf dem Bolzplatz eine archaische „Männerkultur“ zelebrieren, welche sie in Verhaltensweisen bestärkt, die nicht zukunftsfähig sind.
Spannender Blogpost. Ich möchte allerdings mal um Perspektivumkehr bitten und werde dazu mal kurz gnadenlos übertreiben:
1. Gender Mainstreaming ist Mist. Warum? Weil man damit in gemischten Teams ohne Not auf die spezifisch weiblichen Vorteile verzichtet. Männer z.B. strengen sich mehr an bei einer Frau als Chef, weil sie balzen. Dazu muss die Chefin aber auch als Frau wahrgenommen werden. Frauen kommunizieren besser. Weil sie eben – Provokation! – Frauen sind. Sie haben – im positiven Sinne – eben nicht die Fähigkeiten wie Männer, sondern andere. Ich plädiere somit für eine ausgeprägte, nicht unterdrückte Frauenrolle. Kann man Sexismuss nennen.
2. Ich behaupte, Frauen sind qua Gehirnstruktur wirklich nicht gut für Technik zu begeistern. Was ich sehr bedauere. Analytisches Denkvermögen, hoher Abstraktionslevel, dreidimensionales Denken etc. Das scheint Frauen nicht zu liegen. Zur Erklärung: Ich ackere mir seit Jahren die Hacken ab, mehr Mädchen für Beruf oder Studium in MINT-Fächern zu begeistern. Die Eignungstests sind leider eindeutig.
Und noch was: es ist falsch zu glauben, dass Technik nicht mehr so wichtig ist, da die sich ja „selbst optimiert“. Das Gegenteil ist der Fall. Sie wird immer komplexer. Und irgendeiner muss sie erfinden, gestalten. Mit harter Ingenieursarbeit. Das passiert nicht von „allein“. Mit mehr Frauen in expliziten Ingenieursrollen gäbe es weniger Technikfails und mehr Stil in der Technik, behaupte ich.
Sorry für den Rant. Das Thema bewegt mich sehr, da werde ich emotional 😉
Zu 1.: Keine Einwände! Ich bin absolut dafür, das volle Spektrum möglicher Verhaltensweisen auszuleben und auch die Dynamik zwischen den Unterschieden spielerisch zur Entfaltung zu bringen. Ich mag Glitzer, Schlagbohrmaschinen und Tango! Gender-Mainstreaming verstehe ich nicht als Gleichmacherei sondern lediglich als Chancengerechtigkeit.
Zu 2.: Henne-Ei-Problematik oder? Menschen kommen ja mit ausgesprochen weichen, rudimentär verdrahteten Gehirnen zur Welt. Die Aktivierung und Ausdifferenzierung der Hirnareale ist also eine Sache der Begeisterung. Und damit auch eine Frage der einflussnehmenden Reize und Erwartungen. Bis zur Pubertät sind die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen (aus meiner Sicht) nicht wirklich groß. Danach sieht die Sache ein bisschen anders – hormoneller – aus.
Zum Nochwas: Auch hier sind wir uns (glaub ich) einig. Technik erfindet sich nicht selbst – aber sie kann sich selbst regulieren, und das ist in der Tat eine Sache zunehmender Komplexität. Und genau damit steigen die intellektuellen Anforderungen. Auch auf dem Papier. Ohne erweiterten Sek. II geht doch heute nicht mehr viel! Früher haben KFZ-Mechaniker an Motoren geschraubt, Drucker haben Platten eingespannt und Schreiner Holz zugeschnitten. Jetzt steuern sie allesamt hochkomplexe Prozesse über Monitore und alle paar Monate muss ein Software-Update verarbeitet werden. Mit räumlich-linearem Denken und auch mit Muskelkraft kommt man da nicht mehr weit. Und wo braucht es noch geniale Einzel-Genies? Teams bilden die Komplexität der Wirklichkeit (aus meiner Sicht) besser ab und kommen zu funktionaleren Lösungen.
Also an einem Punkt muss ich 1falt widersprechen – (oder habe sie sowieso schon falsch verstanden) – die sogenannten männlichen Kompetenzen sind teilweise starke Mangelware (Programmierer, Ingenieursgedöns etc. – der vielbeschworene Fachkräftemangel…
Den Kommentar finde ich an einer Stelle grenzwertig: „Ich behaupte, Frauen sind qua Gehirnstruktur wirklich nicht gut für Technik zu begeistern.“ es ist ja schön, etwas zu behaupten – aber noch schöner ist es ja vielleicht doch, sich vorher einmal ein wenig zu informieren – gerade Gehirnforschung ist ein Feld, auf dem einiges an „Geschlechterkampf“ und Zuschreibungen ausgetragen wird. Keineswegs ist es so, dass in diesem Feld eindeutige Forschungsergebnisse produziert werden, die unterschiedliche neuronale Strukturen bei Männern und Frauen bestätigen, die dann zu den behaupteten unterschiedlichen Fähigkeiten führen. (die Tendenz geht wohl eher ins Gegenteil) ich empfehle beispielsweise die österreichishe Gehirnforscherin Sigrid Schmitz mal zu lesen, die sehr interessante Sachen zum Thema schrieb.. Die persönliche Empirie („ich selber hab das aber so erlebt“), ist ja nun mal aufgrund der hohen Subjektivität und Unwissenschaftlichkeit einfach nicht sehr aussagekräftig.
Prost!
Cheers! 🙂 Ich hatte schon befürchtet, dass das mit den Ingenieurwissenschaften nach hinten losgeht! Und zumindest Dir kann ich nicht vormachen, ich hätte Ahnung von Physik! Aber was ich meine verstanden zu haben, ist, dass sich die technischen Naturwissenschaften zunehmend „biologisieren“. Es wird also immer wichtiger komplexe Systeme mit Wechselwirkungen zu steuern, die biologischen Organismen ähnlicher sind als Dampfmaschinen. Um dem gerecht zu werden ändert sich die Methodik. Weniger lineare Ursache-Wirkung-Logik, mehr komplexe Prozesse mit Wechselwirkungen und vielerlei Einflüssen.
Im Druckbereich kann ich das bestätigen. Color-Management ist tatsächlich eine Krake, die Sozialpädagogen und Grundschullehrer besser in den Griff bekommen als Fotolaboranten. Die Kluft zwischen „verstehen“ und „vermitteln können“ wird immer größer. Darauf wollte ich eigentlich hinaus.
Nachtrag: Ich beantrage, dass nur Menschen behaupten dürfen, dass die Zukunft mehr Ingenieure als Pädagogen braucht, die sämtliche Features bedienen könnten, welche ihre mobilen Endgeräte zur Verfügung stellen!
hahaha,
diese komplexe sichtweise deinerseits wurde bereits in deiner antwort auf den ersten kommentar deutlich. ich hatte nur meine antwort auf den artikel bereits vorformuliert gehabt, und wollte es einfach nochmal klarstellen. und, für mich ist „teilnahme an physikkurs jenseits der elften“ sehr phsik-kompetenzlastig. mir kannst du da alles verkaufen. ich würde meinen, technik-kompetenz muss sich zu mobileendgerätebedienkompetenz addieren. tja, da müssen sich die geschlechter wohl mal zusammenraufen 🙂
Das finde ich interessant >
http://www.nytimes.com/2014/01/19/opinion/sunday/google-tell-me-is-my-son-a-genius.html?hp&rref=opinion&_r=2