Über Social-Media-Statisten und Dorfbusse

Über Social-Media-Statisten und Dorfbusse

Und wie bist Du zum Bloggen gekommen?

Ich finde keine Antwort. Mich überrascht diese Frage, obwohl sie ja eigentlich recht nahe liegt bei einem Blogger-Treffen. Wie so oft bin ich also nur schlecht vorbereitet: Überfordert von der Situation im Allgemeinen und einer nett gemeinten wie interessierten Frage im Besonderen.

Genau genommen blogge ich ja gar nicht,

höre ich mich sagen. Ich weiß selbst nicht wirklich, was ich damit meine. Also denke ich auf dem Weg nach Hause darüber nach. Es ist eine sehr gemütliche Heimfahrt. Nachts fährt der Bus über alle Dörfer und lässt mir viel Zeit, einfach bei mir zu sein. Anders als in Regionalzügen oder Straßenbahnen sind Hunde und Menschen in Dorfbussen um diese Uhrzeit sehr still und friedlich. Ich nehme mir vor, das nächste Mal, wenn ich nicht schlafen kann, mit dem Bus zum Rhein zu fahren. Das dauert eine Stunde und fünf Minuten. Ohne Umsteigen. Zwanzig Minuten hätte ich dann Zeit, mit den Enten am Ufer zu sitzen, bevor es wieder zurück geht. Zweieinhalb Stunden Ruhe. Zweieinhalb Stunden unentschuldigt und allein mit mir unterwegs sein.

Gestern habe ich also beim Busfahren darüber nachgedacht, warum mir herausgerutscht ist, dass ich gar nicht blogge. Zum einen lag es vielleicht daran, dass ich zwischen Reise-Bloggern, Food-Bloggern, Wissenschafts-Bloggern und Mode-Bloggern nicht wirklich in der Lage bin, mich selbst thematisch zu verorten. Zum Anderen lässt meine ganze Einstellung zum Schreiben wohl einfach zu wünschen übrig. Ich habe kein Projekt, das ich nach vorne bringen will, und wüsste auch nicht, zu welchem Zweck ich mich vernetzen sollte. Wenn ich über die Reichweite dessen nachdenke, was ich ins Internet stelle, weckt das bei mir eher Ängste als Ehrgeiz.

Ungeachtet dessen möchte ich natürlich trotzdem gelesen werden – sonst würde ich das hier ja nicht machen. Aber nicht um des reinen Gelesenwerdens willen. Die Vorstellung, dass sich jemand pflichtbewusst durch meine Sätze quält, nur weil ich auf irgendeiner Liste stehe, etwas kommentiert oder geflattert habe, ist mir mehr als unangenehm. Ich will mich nicht aufdrängen. Eigentlich ist genau das der Grund, warum ich keine Briefe mehr schreibe, sondern Texte lieber unadressiert ins Internet stelle. Denn beim Bloggen ist das Lesen freiwillig. Niemand muss sich bemüßigt fühlen, mir zu antworten oder sich aus Nettigkeit mit mir beschäftigen. Das, was ich schreibe, ist lediglich ein universell gültiges Angebot – keine Pflichtveranstaltung, bei der es die Höflichkeit gebietet, wenigstens den Teaser zur Kenntnis zu nehmen.

Ich rede nicht gerne über mich. Aber ich will verstanden und gesehen werden. Und zwar nicht als zwanghaft amüsant plaudernde Fassade, sondern als die, die ich bin. Darum schreibe ich ins Internet, womit ich im Zwiegespräch niemanden langweilen möchte. Nicht, weil ich selbst so öde finde, was ich denke – sondern weil ich nur schwer ertragen könnte, live mitzuerleben, dass sich mein Gegenüber langweilt. Medial vermittelt merke ich das ja nicht. Dort kann ich mühelos als „gelesen“ markiert werden und gut ist. Das macht es leichter für mich, Raum einzunehmen. Langatmig zu sein. Medial vermittelt ist es auch nicht so schlimm, wenn ich über Fragen erst nachdenken muss. Und manchmal sogar extra Busfahren.

Medial vermittelt kreise ich nicht unaufhörlich um das, was im Eifer des Gefechts gesagt worden ist, sondern komme zur Ruhe. Medial vermittelt weiß ich und kann ich nachlesen, was kommuniziert wurde. Medial vermittelt kann ich löschen, was nicht mehr verfügbar sein soll.

Ich blogge, um nicht sprechen zu müssen.

Wie ich dazu gekommen bin? Es fühlte sich so an, wie mein Tagebuch offen auf dem Tisch liegen zu lassen. Und das war ein gutes Gefühl.

Foto: Fabio Bruna