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In den 90ern mussten paarungswillige Großstädter noch ohne Internet auskommen. Manche gaben Kontaktanzeigen in Stadtmagazinen auf, andere gründeten eine Rock-n-Roll-Band, bestellten „Superstark-N-Frauenlockstoff“, eroberten die Tanzfläche, befragten ihre Tarotkarten oder gingen in freudiger Weihnachtsfeiererwartung ins Büro.

Ü-30-Parties waren noch nicht erfunden, Teletext hatten sich nicht durchsetzen können und der menschliche Skrupel, sich in TV-Kuppel-Shows zum Affen machen zu lassen, war noch nicht flächendeckend abgeschafft worden. Zwar ließ „Susi, the Voice of Herzblatt“ auch mein Herz eine Zeit lang höher schlagen – wirkliche Chancen rechnete ich mir bei der unsichtbaren Assistentin von Rudi Carell allerdings nicht aus.

Die unbequeme Folge: Menschen mussten einander ansprechen, um in Kontakt zu kommen. Oder schubsen. Oder sich ansprechen lassen.

Nachdem mir das mit dem Schubsen nicht mehr altersgemäß erschien, verlegte ich mich auf’s Ansprechenlassen. Nicht, weil ich fand, dass „sich das für Mädchen so gehörte“, sondern weil ich zu feige, schüchtern und verklemmt war, um selbst die Initiative zu ergreifen. Diese emanzipatorisch bedenkliche Passivität war nur auf den ersten Blick bequem und mit zwei Nachteilen behaftet: Zum einen forderte es einen nicht unerheblichen kosmetischen Zeitaufwand, um durch pure Anwesenheit zu faszinieren; zum anderen hatte ich nur wenig Einfluss darauf, bei wem meine Mühe Früchte trug. Und so fand ich mich bisweilen in Gesprächssituationen verwickelt, die von beiderseitigem, stetig anwachsendem Unwohlsein flankiert wurden. Den Großteil meiner diplomatischen Fähigkeiten habe ich diesen amourösen Missverständnissen und Fehlversuchen zu verdanken; was mich heute mit großer Dankbarkeit erfüllt und meinen wirtschaftlichen Lebensunterhalt sichert.

Und damit nähern wir uns langsam aber zielsicher dem Thema dieses Textes: der Suchmaschinenoptimierung.

Denn während man sich in den 90ern auf der Suche nach dem ultimativen Anmachspruch zu übertreffen suchte, wird heute über die perfekte Keywortdichte und Relevanzbewertung gestritten. Das Mysterium „Frau“ ist durch den heiligen Gral „Google“ abgelöst worden – doch wirklich geändert hat sich wenig. Wieder gibt es die Emsigen: Ausgebufft und ratgebergestählt pushen, pimpen und taggen die Googleversteher ihre Botschaft auf den Olymp der Redundanz. Wieder macht nicht Fleiß sondern Erfolg sexy. Wieder bin ich felsenfest davon überzeugt, dass sich Beziehungsglück langfristig nicht ertricksen oder bestechen lässt. Aber ehrliche Sichtbarkeit und klare Aussagen erleichtern das Gefundenwerden ungemein:

SEO – Sei einfach offen.

Foto: „Allesfinder“ von Sabrina Jelken (CC BY-NC-SA 2.0)